28.11.14 | König Arthur von Ecuador |
28.11.2014 |
König Arthur von Ecuador
Dies ist die sagenhafte Geschichte der Freundschaft von einem Mann und einem Hund. Beide haben sich gefunden.
Völlig fertig. Völlig fertig sinkt Mikael Lindnord zu Boden und klammert sich mit letzter Kraft an eine Konservendose. Als Schwede weiß er, was ihn erwartet und in Minuten wieder aufbaut: Köttbullar. Diese köstlichen kleinen Fleischklopse. Er schließt seine Augen und beißt genussvoll am Ende eines strapaziösen Tages in das erste Stückchen Heimat im fernen Ecuador. Als er seine Augen wieder öffnet, sehen ihn aus einer Ecke zwei dunkle und traurig wirkende Knöpfe an, die einem zotteligen Hund gehören.Weil beide auf die Außenwelt gerade gleichermaßen wie Streuner wirken – der von Kopf bis Fuß verdreckte Mikael Lindnord führt ein vierköpfiges Team von Abenteuer-Sportlern an, der zerzauste Hund gehört in der Einöde der Anden zum Straßenbild – reicht der Schwede dem Überraschungsgast ein paar seiner Kugeln, nicht ahnend, dass diese Geste der Beginn einer sagenhaften Freundschaft sein wird. Mikkael Lindnord gehört zur Spezies professioneller Abenteuer-Sportler und nimmt mit seinem Team Peak Performance weltweit an entsprechenden Wettkämpfen teil. Als er im November mit seinen Gefährten Simon Niemi, Staffan Björklund und Karen Lundgren in Quito landet, bleiben dem Team nur wenige Tage um sich auf das Finale der diesjährigen Weltmeisterschaft vorzubereiten. Denn das finale Rennen eines abenteuerlichen Jahres wird ihnen und der internationalen Konkurrenz alles abverlangen: Die Aufgabe wird es sein, in sechs Tagen eine Distanz von rund 700 Kilometern zu bewältigen. Das Gros davon, 420, absolvieren sie in den Sätteln ihrer Mountainbikes, 160 wandern sie im Eiltempo durch die über 4 000 Meter hohen Hügel hoch und runter, 110 paddeln sie im Kajak durch wilde Flüsse – bei Tag und auch bei Nacht, bei Regen und Sonnenschein, mit Karte und GPS navigierend von einem Treffpunkt zum nächsten. Immer müde, immer hungrig, immer der Natur ausgeliefert. Theoretisch zählen sie zu den Helden des Outdoor-Sports, einer durchaus exklusiven Szene. Praktisch fungieren sie auch als Materialtester für eben solche Firmen, zu denen gehört auch der schwedische Hersteller und Namensgeber des Teams, Peak Performance. Vier Tage hatte das Team bereits hinter sich, heftige Hindernisse wie Gletscher oder Flüsse überwunden ohne sich dabei zu verwunden. Denn derbe Blessuren gehören neben den obligatorischen Schrammen und Kratzern zum Alltag der Aktiven. Als sich das Quartett also gerade eine der seltenen Pausen gönnte, um wieder Energie zu tanken, und Team-Chef Mikael Lindnord seine Büchse öffnete, da stand da plötzlich wie aus dem Nichts der struwwelige Hund, erzählt Lindnord in den Tagen nach dem Rennen von dieser Begegnung der tierischen Art.
Nach der kalorienreichen Auszeit rappelte sich das Team wieder auf und rüstete sich für die nächste Trekking-Tour, diesmal durch den knöcheltiefen Matsch des Regenwaldes. Sie staunten nicht schlecht, als ihnen der Hund folgte. Nette Geste denkt sich das Team und freut sich über sein Maskottchen, das bestimmt Besseres vor hat, als sich freiwillig durch den Morast zu kämpfen. Wie Mensch sich irren kann, der Hund kennt kein Pardon und begleitet seine neuen Freunde durch dick und dünn, bis er mit seinen kurzen Beinen steckenbleibt. Da sich der zweibeinige Kollege Simon auch nur noch mit Mühe auf den langen Beinen halten kann, schaltet das Team einen Gang zurück und widmet sich dem Wohl der beiden Bremser. Simon bekommt Medizin vom Doktor des Rennens und der Hund seinen Anteil am Essen.
Fasziniert vom Willen und Einsatz taufen die Abenteurer ihren Begleiter auf den Namen Arthur. Der Streuner dankt den Ritterschlag mit dem verwegenen Versuch, seinen Schutzbefohlenen auch im Wasser nicht von der Seite zu weichen. Das strenge Reglement im Abenteuersport kennt zwar keinen Passus für den Umgang mit Haustieren, trotzdem raten die Kampfrichter dem Team davon ab, Arthur mitzunehmen.
Gewinner der Herzen
Es sei so herzzerreißend gewesen zu sehen, wie Arthur mit den Wellen kämpfte, erzählte Lindnord. Da hätten sie ihn abwechselnd aufs Kajak gehievt und seien mit ihm zusammen ins Ziel gepaddelt. Zuschauer am Rande der Strecke hätten gejubelt über den fünften Mann, sie seien begeistert gewesen von dem neuen Traumpaar Mikael und Arthur.
Die Medien feierten das Gespann landauf, landab, die Gewinner der Weltmeisterschaft aus Neuseeland gingen dabei ziemlich unter und dann sagte Mikael Lindnord diesen Satz: „Ich bin nach Ecuador gekommen, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Stattdessen habe ich einen neuen Freund gefunden.“
Den treuen Kerl wollte er nicht wieder einem ungewissen Schicksal überlassen, sondern adoptieren und seiner Tochter Philippa vorstellen. Via Internet stellte er beim schwedischen Landwirtschaftsministerium einen Antrag auf Einreise für Arthur und schleppte ihn in der Hauptstadt Quito zum Tierarzt. Der flickte die noch alten Wunden des Hundes, und als die Erlaubnis aus Schweden eintraf, buchte das Team fix einen Flug für den vierbeinigen König von Ecuador. In seinem neuen Königreich sitzt Arthur in Quarantäne, doch bis zum Julfest, dem schwedischen Weihnachten, kann er schon mit seiner neuen Familie in Örnsköldsvik durch den Schnee toben. (stb)
Quelle sz-online.de
Zuletzt geändert am: 05.01.2019 um 21:18
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